Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war und der da ist und der da kommt. Amen.
Predigttext: Johannes 20, 11-18
11Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab 12und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten. 13Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.
14Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. 15Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen. 16Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!
17Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. 18Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern, liebe Brüder,
Welche Geschichte! Zum Schwärmen. Das dürfen wir an Ostern: schwärmen und uns freuen. Jetzt haben wir das heute Morgen schon zum zweiten Mal gehört: das Grab war leer. Nach der Evangeliums-Erzählung von Markus fürchteten sich die drei Frauen so sehr, dass sie zitterten, sich entsetzten und niemandem etwas sagten vor lauter Angst. Bei Johannes ist es eine ganz andere leise Geschichte, die erzählt wird: da begegnen sich zwei im Garten.
In Jerusalem wurde an genau dieser Stelle die Grabeskirche gebaut und in Görlitz an der Neiße wurden im 15. Jahrhundert die Stationen des Leidens und das Heilige Grab originalgetreu nachgebaut. Es ist eine begehbare Fiktion des Leidensweges von der Peterskirche durch die Stadt, damit man sich das Geschehen vorstellen kann. In Görlitz kann man in den Nachbau des Grabes hineingehen und spürt: es ist kalt, dunkel und leer. Wir versuchen bis heute, das Geschehen zu verstehen.
Uns heutigen werden solche Erzählungen mit Elementen aus der Ostergeschichte in Film und Literatur dargereicht. In „Der Himmel über Berlin“ aus dem Jahr 1987 von Wim Wenders sind es die beiden Engel Daniel und Cassiel, die das Leben der Menschen unsichtbar begleiten. Nur Kinder können sie wahrnehmen. Sind das vielleicht die Engel aus dem Grab? Und in ihrem neuen Buch „Nach uns der Himmel“ von Simone Buchholz sind die Protagonisten steckengeblieben in einer Situation zwischen Leben und Tod, der aber nichts Erschreckendes hat. Sie sagen: „Der Tod ist doch auch nichts anderes, als Ferien vom Leben“. Elemente der Ostergeschichte sind in der modernen Vorstellungswelt verarbeitet und werden ganz realistisch dargestellt. Uns heutigen Menschen scheint es gar nicht so absurd, dass das Leben mit dem Tod nicht endet, dass es Engel gibt.
Mir macht das Hoffnung, dass die Oster-Erfahrung, eine neue Sprache finden und Kraft entfalten kann.
Zurück zur Ostergeschichte:
Immer sind es die Frauen, bei Markus Maria von Magdala, Maria die Mutter des Jakobus und Salome, die den Leichnam Jesu waschen und ölen wollen, bei Johannes ist es Maria von Magdala, die zum Grab gegangen ist. Das ist historisch absolut glaubwürdig, weil Frauen die denkbar unglaubwürdigsten Zeuginnen waren. Das konnte man sich in der Antike nicht ausdenken. Immer war es Maria Magdalena. Sie hat es erlebt und weitererzählt und so geht es bis heute, dass wir nach dem ersten Frühlingsvollmond Ostern feiern.
Maria findet ein leeres Grab – das ist zu Tode erschütternd. Wir kennen aus unserer Geschichte diese schwere Last, wenn man einen lieben Menschen den man verloren hat, nicht einmal begraben kann. Nach Verbrechen leiden die Angehörigen furchtbare Qualen. Und in unserer politischen Geschichte kennen wir das, Menschen wurden umgebracht und verscharrt, in anonyme Gräber geworfen, sie werden dadurch noch im Tode entmenschlicht. Ein Zeichen der Humanität: Russland und die Ukraine tauschten vor Ostern die Leichname hunderter gefallener Soldaten aus.
Nun fehlt der Leichnam von Jesus; er ist weg. Die Fassungslosigkeit Maria Magdalenas darüber, dass nun auch noch der Leichnam fehlt, ist mit Händen zu greifen. Schlimmer geht es nicht. Erst die grausame Hinrichtung vor den Toren der Stadt mit den Verbrechern und nun ist sein Leichnam verschwunden.
Kulturwissenschaftler sprechen davon, dass der Beginn unserer menschlichen Kultur auch in der Ehrung und Bestattung der sterblichen Überreste unserer Vorfahren liegt. Das macht uns zu Menschen, dass wir mit unserer Geschichte, mit unserer Verbundenheit mit dem Verstorbenen auch Anteil nehmen an der Trauer der Angehörigen. Und dass wir alle angesichts eines Verstorbenen um unsere eigene Endlichkeit wissen.
Der liebevolle und wertschätzende Abschied von Verstorbenen ist ein hohes Gut. Und dafür hat jede Kultur auf unserer Erde eigene Formen des Umgangs mit Verstorbenen und Bestattungskulturen hervorgebracht.
Was berichtet Johannes genau? Jesus ist in das Grab des Jüngers Joseph von Arimathia, einem aus Jüngerkreis, gelegt worden. Es war ein Familiengrab. Noch unbenutzt. Sein Leichnam war in Leichentücher eingeschlagen worden, die mit wohlriechenden Ölen getränkt waren, das Grab wurde zum Schutz mit einem Rollstein verschlossen. Und am ersten Tag der Woche, also am Sonntag kam Maria von Magdala zum Grab und sah, dass der Stein weggerollt worden war. Sie traut ihren Augen nicht, gerät in helle Panik und holt den Simon Petrus und den anderen Jünger den Jesus lieb hatte. Beide überzeugen sich davon, dass das Grab leer war, die Leichentücher lagen noch da und beide Jünger gingen wieder nach Hause. Sicher aus Angst vor Verfolgung.
Aber nicht Maria Magdalena. Sie blieb dort und weinte. Das ist doch die natürlichste Sache der Welt: sie weinte sich die Augen aus dem Leib. Maria Magdalena war Jesus nahe, er hatte sie aufgenommen und war ihr freundlich begegnet.
Zuerst begegneten ihr die Engel, die saßen im Grab einer zu Häupten, einer zu Füßen, und fragen Maria nach dem Grund ihrer Tränen? Welche Frage. Was sollte Maria Magdalena auf diese Frage antworten?
Die Antwort aber steht hinter ihr, sie sieht Jesus, sie hält ihn für den Gärtner und auch er fragt: warum weinst du und wen suchst du?
Das ist eine sehr gute erzählerische Regie, eine kleine Verwechslung– sie meint, es sei der Gärtner und er könne ihr sagen, wo der Leichnam sei. Und jetzt in dieser Verwirrung wird Ostern: Jesus spricht sie mit ihrem Namen an: Mariam. Der vertraute Klang der Stimme. Mehr Worte braucht es nicht. Es ist eine Begegnung, die Marias Herz öffnet, die die Verzweiflung wegwischt. das Leben wieder auf die Füße stellt. Wahnsinn. Und alles was bisher galt, ist nun auf den Kopf gestellt.
In der Ostergeschichte gibt es den Kontakt zwischen den Engeln, dem Auferstandenen und den Menschen – anders als im „Himmel über Berlin“- dort sollen sich Engel und Menschen nicht begegnen.
‚Der Tod ist gestorben.‘ schreibt der hallesche Dichter Eckhard Ulrich in einem Gedicht über den Stadtgottesacker. Er hat keine Stacheln und keine Macht mehr. Und Jesus, der als Sohn Gottes in die Welt kam, und eigentlich zugleich auch Gott war, der ist Marias Lehrer. Jesus wird zugleich auch wieder zum Bruder, er ist unterwegs ‘Zu meinem Vater und zu euren Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.’ Jesus ist noch nicht fertig, die Auferstehung muss noch vollendet werden.
Auch nach seinem Tod stellt sich Jesus - wieder - an die Seite derer, die unterlegen waren und verloren haben. Er bringt eine Kraft in die Welt, die den Tod entzaubert. Der Tod ist nicht mehr die letzte Instanz. Ein Theologe sagt: Die Geschichte vom leeren Grab hat niemandem seinen Tod erspart – aber die Geschichte von der Auferstehung lässt niemanden im Tod hängen. Die Ostergeschichte berichtet die Begegnung Gottes mit uns Menschen in Maria und öffnet das leere Grab in den Himmel hinein.
Unbegreiflich ist die Erfahrung, dass da jemand gestorben ist, jämmerlich vor aller Augen und doch nicht tot bleibt. Wir versuchen, allerlei Bilder dafür zu finden – wie das Korn, das in die Erde fällt. Und das ist genau die Basis. Das trägt unser Leben. Nicht das, was sowieso offensichtlich ist, was wir beweisen, zeigen, herleiten können oder auch ausrechnen. Die Zeiten, in denen man sagt, ich glaube nur, was ich sehe, ist ja auch für Atheisten vorbei. Strom sieht man nicht, Gene sieht man nicht, und trotzdem sind sie. Also, um Vernunft oder Sichtbarkeit kann es nicht gehen.
Es geht um die Kraft der Verwandlung, der Aushebelung der Gesetzmäßigkeiten und der Logik. Das ist das, was unser Leben ausmacht. Der Sinn und der Ursprung unseres Lebens ist etwas ganz anderes, als logisch oder erwartbar, er ist Begegnung mit Gott.
In der Überwindung des Todes ist alles überwunden. Alles, was Menschen ängstigt und klein macht, ist machtlos geworden.
Mit Ostern sind wir vom Schrecken des Todes befreit. Wir sind aufgehoben in der Begegnung Marias mit Jesus - der eine feste Verbindung hergestellt hat zwischen Gott und Mensch. Und das zaubert uns nicht nur ein Lächeln, sondern ein Lachen ins Gesicht. Das Schlimmste ist überwunden. Das Lachen ist eine Befreiung – ausgelacht wird, was uns bedrohlich erschien. Es hat keine Macht mehr.
Marcel Proust sagt: „Halten Sie stets ein Stückchen Himmel frei über ihrem Leben.“ Ostererlebnisse lassen sich heute finden, wir öffnen sonntags die Augen dafür, in der Erinnerung an die Auferstehung. So wie Maria – wir lassen uns ansprechen und wir tragen und sagen es weiter.
Ostern feiern wir die Befreiung von Angst und Begrenzung. All das ist aufgehoben. Zu Ende. Tod und Teufel, der Hades und die Hölle, alle sind entmachtet. ‚Jesus lebt, mit ihm auch ich‘. – das Jubellied wird jetzt gesungen. Ostern wird so zu einem lustiges Fest, in den Hasen mit den bunten Eiern ist ja auch viel Komik enthalten.
Ostern – verbindet uns mit den Menschen um uns herum, die vielleicht nicht in der Kirche sind, aber dennoch erfahren haben und glauben, dass der Tod nicht die letzte Macht ist und dass es eine Lebenshoffnung darüber hinaus gibt. Mit Menschen, die den Himmel offen halten. Eine Zukunft jenseits der Berechenbarkeit in der Zuwendung Jesu – wie im Garten am leeren Grab. Ein bisschen unbeschreiblich, aber schön, ein bisschen unklar, aber hoffnungsvoll. Und „Der Tod ist gestorben“ und „den Himmel offen halten“ macht das Fest der Auferstehung aus.
Maria Luise Kaschnitz hat für Auferstehung diese Worte gefunden:
Auferstehung
Manchmal stehen wir auf
Stehen wir zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserem lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut.
Nur das Gewohnte ist um uns.
Keine Fata Morgana von Palmen
Mit weidenden Löwen
Und sanften Wölfen.
Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken
Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.
Und dennoch leicht
Und dennoch unverwundbar
Geordnet in geheimnisvolle Ordnung
Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.
(Marie Luise Kaschnitz)
Amen
Der Friede Gottes ist ein Friede, der höher ist als alle Vernunft.
Im Frieden Gottes sind wir geborgen, behütet und geliebt. Amen